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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Schiedsvereinbarungen in Handelsschutzabkommen Artikeln 267 and 344 des Lissabonvertrags entgegenstehen (Urt. v. 6.3.2018, Az. C-284/16). Die Grundsatzentscheidung war lange und mit Spannung erwartet worden. Das Gutachten des Generalbundesanwaltes deutete noch in die entgegengesetzte Richtung. Der EuGH hat gesprochen – aber was nun? Die Konsequenzen sind derzeit schwer absehbar, klar scheint aber, dass mangels sofortiger Alternative zunächst eine gewisse Unsicherheit eintritt, jedenfalls für die europäischen Unternehmen. 

Ausgangspunkt war eine Schiedsklage des privaten niederländischen Krankenversicherungsträgers Achmea B.V. gegen die Slowakei. Diese hatte Anfang der 2000er-Jahre Maßnahmen eingeführt, welche die Geschäftstätigkeit privater Krankenversicherungen in der Slowakei erheblich einschränkte. Das Schiedsgericht erkannte auf eine Verletzung des zwischen der Niederlande und der Slowakei geschlossenen Investitionsschutzvertrages und sprach Achmea Schadensersatz in Höhe von 22 Millionen zu. Die Slowakei beantragte daraufhin die Aufhebung des Schiedsspruches vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Nachdem dieses den Aufhebungsantrag noch abgewiesen hatte, legte der Bundesgerichtshof dem EuGH die Frage vor, ob die Schiedsklausel des Investitionsschutzvertrages gegen EU-Recht verstieße. Das Gericht bejahte diese Frage in seinem lange erwarteten Grundsatzurteil nunmehr.

Die Entscheidung ist sowohl für Investoren als auch für Mitgliedsstaaten von großer Bedeutung und zunächst wohl eine schlechte Nachricht. Es bleibt vorerst ungeklärt, inwiefern europäische Investoren, die in einem anderen europäischen Staat unternehmerische Risiken eingehen, in Zukunft den völkerrechtlich garantierten Schutz vor staatlichen Willkürmaßnahmen in Anspruch nehmen können. Die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit ist kein gutes Signal für das Investitionsklima innerhalb Europas. Vor allem viele osteuropäische Staaten haben nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs stark von bilateralen Investitionsabkommen mit anderen europäischen Ländern profitiert. Auf solcher Basis existierende Schiedsgerichte boten Investoren dabei die Möglichkeit, ihre Rechte vor einem neutralen und international besetzten Forum geltend zu machen.

Das Urteil vermag angesichts des bekannten Unbehagens des EuGH gegenüber anderen Streitbeilegungsorganen nicht zu verwundern. Für europäische Investoren ist es aber ein deutlicher Rückschritt, stehen sie nun schlechter da als Investoren aus dem nicht-europäischen Ausland. Die vom EuGH nun übernommene ablehnende Haltung der EU-Kommission gegenüber Investitionsschiedsverfahren ist außerdem widersprüchlich. Während sie sich medienwirksam gegen eine Absenkung rechtsstaatlicher Garantien in Polen und Ungarn einsetzt, ist sie nun mitverantwortlich für eine deutliche Abschwächung der Rechtschutzmöglichkeiten für innereuropäische Investoren.

Die Entscheidung hat für noch laufende und sogar bereits abgeschlossene Verfahren weitreichende Konsequenzen. Besonders interessant wird die Frage sein, inwiefern innereuropäische Verfahren auf Grundlage des Energiecharta-Vertrages von der Entscheidung des EuGH beeinflusst werden. Spanien hat als Reaktion auf das Urteil bereits die Wiederaufnahme von Verfahren beantragt, in denen es zu Schadensersatzzahlungen wegen Verstößen gegen den Vertrag verurteilt wurde. Auch das noch nicht abgeschlossene Schiedsverfahren des schwedischen Vattenfall Konzerns gegen die Bundesrepublik Deutschland wird auf Grundlage desselben Vertrags geführt.

Angesichts dieser Vielzahl von offenen Fragen und der offensichtlich neu entstandenen Rechtsschutzlücke für europäische Investoren ist nicht davon auszugehen, dass das Urteil des EuGH die Diskussion um den Investitionsschutz in Europa beendet. Im Gegenteil. Es ist vielmehr zu hoffen, dass es einen neuen Impuls darstellt, um über die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes für Investoren auch innerhalb Europas zu diskutieren. Mit Blick auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung grenzüberschreitender Investitionen für den europäischen Binnenmarkt sollte die Schaffung eines modernen, gesamteuropäischen Rechtsrahmens zum Investitionsschutz oberste Priorität haben. Dabei sollte auf die Vorteile der Schiedsgerichte nicht verzichtet werden. Diese genießen unter den Parteien in der Regel eine hohe Akzeptanz und gewährleisten eine effektive und professionelle Verfahrensdurchführung. In Zeiten markiger Worte und sich abzeichnender Verhärtungen in der Handelspolitik ist Rechtssicherheit für Investoren ein kostbares Gut, die nicht ohne Not angetastet werden sollte. 


 

Dieser Artikel ist zuvor in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. März 2018 erschienen (S. 16)

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