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Die Bundesregierung hat die weltweite Reisewarnung für nicht notwendige, touristische Reisen für die meisten Mitgliedsstaaten der EU, Schengen-assoziierte Staaten (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) und das Vereinigte Königreich ab dem 15. Juni 2020 aufgehoben und durch individuelle Reisehinweise ersetzt. Für die meisten Länder wurde die Reisewarnung jedoch aufrechterhalten. Diese Länder, zu denen auch beliebte Urlaubsreiseziele wie die Türkei, USA und Ägypten zählen, gelten weiterhin als Risikogebiete.

Die Lockerungen der Reisewarnungen und die Einführung von Quarantäneverordnungen in den Bundesländern führen zu neuen Fragen für den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nach einer Urlaubsreise in ein Risikogebiet. Grundsätzlich gilt, dass Reiserückkehrer, die sich innerhalb der letzten 14 Tage vor der Rückreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, sich in häusliche Quarantäne begeben müssen.

Befindet sich ein Arbeitnehmer in häuslicher Quarantäne, ohne tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt zu sein, scheidet eine Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz aus. In den Fällen, in denen es noch keine Home Office Regelung gibt, kann mit dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit im Home Office für die Dauer der Quarantäne vereinbart werden.

Ist Home Office dagegen aufgrund der Art der Tätigkeit nicht möglich oder wird vom Arbeitgeber schlicht nicht angeboten, stellt sich Arbeitgebern die Frage, ob der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers fortbesteht. Hat der Arbeitnehmer die Reise bereits in Kenntnis der Quarantänebestimmungen angetreten und sich damit wissentlich selbst in die Lage gebracht, scheidet unserer Ansicht nach ein Entgeltfortzahlungsanspruch aus.

Erkrankt ein Arbeitnehmer auf seiner Reise in ein Risikogebiet an Covid-19 und ist infolgedessen arbeitsunfähig, so besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur, wenn er unverschuldet an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Der bloße Umstand, dass ein Arbeitnehmer in ein Risikogebiet gereist ist, wird in der Regel nicht ausreichend sein, um ein Verschulden zu begründen. In diesen Fällen besteht daher ein Entgeltfortzahlungsanspruch. Problematisch ist auch die Kausalität zwischen dem Verreisen in ein Risikogebiet und der Erkrankung an Covid-19. Es kann in vielen Fällen nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Arbeitnehmer bereits vor der Abreise oder am Flughafen selbst infiziert hat. Noch schwieriger dürfte für den Arbeitgeber die Situation sein, in der das Reiseland des Arbeitnehmers erst nach Urlaubsantritt als Risikogebiet eingestuft wird.

Mit Blick auf die noch uneinheitlichen Regelungen zur Quarantäne in den einzelnen Bundesländern, empfehlen wir Arbeitgebern, ihre Mitarbeiter etwa per Rundmail über die möglichen Folgen einer privaten Urlaubsreise in ein Risikogebiet aufzuklären.

 

 

Die Bundesregierung hat die weltweite Reisewarnung für nicht notwendige, touristische Reisen für die meisten Mitgliedsstaaten der EU, Schengen-assoziierte Staaten (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) und das Vereinigte Königreich ab dem 15. Juni 2020 aufgehoben und durch individuelle Reisehinweise ersetzt. Für Finnland, Norwegen, Schweden und Spanien wurde die Reisewarnung noch nicht aufgehoben. Für andere Länder gilt die Reisewarnung aufgrund von dort geltenden Einreisebeschränkungen bzw. des Infektionsgeschehens ebenfalls fort, vorerst bis zum 31. August 2020. Bevor Arbeitnehmer sich entscheiden zu verreisen, sollten sie unbedingt einen Blick in die jeweilige Quarantäneverordnung des für sie zuständigen Bundeslandes werfen. In der Regel sehen die Verordnungen für Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet nämlich eine Pflicht zur Absonderung, d.h. zur häuslichen Quarantäne, vor. Eine Liste der Landesbehörden finden Reisende hier. Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt durch das Bundesgesundheitsministerium, das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium und wird durch das Robert Koch-Institut (“RKI”) hier veröffentlicht. Zu den Risikogebieten gehören derzeit etwa die beliebten Reiseziele Türkei, USA und Ägypten. Die Bundesregierung prüft fortlaufend, inwieweit Gebiete als Risikogebiete einzustufen sind. Daher kann es auch zu kurzfristigen Änderungen kommen, insbesondere zu einer Erweiterung dieser Liste.

Die neuen Regelungen zu Urlaubsreisen werfen zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit den arbeitsrechtlichen Verpflichtungen im Falle einer Quarantäne auf. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer im Falle einer Quarantäne nach einer Reise in ein Risikogebiet Anspruch auf ihr Arbeitsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung haben. Nach unserer Einschätzung wird hierbei zunächst danach zu differenzieren sein, ob der Arbeitnehmer (i) nach der Reise aus einem Risikogebiet nur in Quarantäne ist oder (ii) auch tatsächlich erkrankt ist. Bei einer Quarantäne ist weiter zu differenzieren, (a) ob der Arbeitnehmer vor Reiseantritt von der Qualifizierung als Risikogebiet wusste oder hätte wissen können und (b) ob der Arbeitnehmer aufgrund vertraglicher oder betrieblicher Regelungen berechtigt ist, die Arbeitsleistung aus der häuslichen Quarantäne zu erbringen.

I. Quarantäneverpflichtung nach Rückkehr aus einem Risikogebiet

Befindet sich ein Arbeitnehmer nach einer Urlaubsreise in häuslicher Quarantäne, besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. In den Fällen, in denen es keine Home Office Regelung gibt, kann mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung getroffen werden, wonach es ihm während der Dauer der Quarantäne ermöglicht wird, seine Tätigkeit im Home Office zu erbringen.

Ist dies nicht erwünscht oder handelt es sich beispielsweise um eine Tätigkeit, die nicht im Home Office erbracht werden kann, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgelt hat. In Betracht kommt ein Anspruch aus § 616 BGB, wonach der Arbeitgeber bei einer vorübergehenden Verhinderung des Arbeitnehmers das Gehalt weiter zu zahlen hat, wenn es sich um einen persönlichen Verhinderungsgrund handelt, der ohne ein Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten ist. Ein Verschulden, das den Anspruch ausschließen würde, dürfte unserer Einschätzung nach vorliegen, wenn die Reise bereits in Kenntnis der Quarantänebestimmungen angetreten wurde. In diesem Fall könnte die nicht erbrachte Arbeitszeit vom Arbeitszeitkonto in Abzug gebracht werden. Ist dies nicht möglich, sollte der Arbeitnehmer gefragt werden, ob er Urlaub nehmen oder unbezahlt freigestellt werden möchte. Hingegen dürfte ein Verschulden des Arbeitnehmers auszuschließen sein, wenn das Urlaubsland erst nach Urlaubsantritt als Risikogebiet auf die Liste des RKI aufgenommen wurde.

II. Tatsächliche Erkrankung

Ist ein Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt, gelten die normalen Regeln für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Arbeitnehmer erhält dann sechs Wochen lang Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und danach Krankengeld von der Krankenversicherung. Erkrankt ein Arbeitnehmer auf seiner Reise in ein ausgewiesenes Risikogebiet an Covid-19, so besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur, wenn er unverschuldet an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Ein solches “Verschulden gegen sich selbst” liegt vor, bei einem besonders leichtfertigen oder vorsätzlichen Verhalten bezogen auf das Eigeninteresse, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden. Ein derartiges schuldhaftes Verhalten wird insbesondere angenommen, wenn an “Corona-Partys” teilgenommen wird. Der Arbeitnehmer muss dabei vorsätzlich Körperkontakt suchen, um bewusst das Infektionsrisiko zu erhöhen. Ob ein solches Verschulden auch angenommen werden kann, wenn ein Arbeitnehmer eine private Reise in ein Risikogebiet antritt, ist allerdings fraglich. Zwar dürfte das Infektionsrisiko in einem Risikogebiet grundsätzlich erhöht sein. In vielen Fällen dürfte es dem Arbeitgeber aber nur erschwert möglich sein, den Nachweis zu führen, dass der Antritt der Reise der vorsätzlichen Erhöhung des Infektionsrisikos diente. Problematisch ist auch die Kausalität zwischen dem Verreisen in ein Risikogebiet und der Erkrankung an Covid-19. Es kann in vielen Fällen nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Arbeitnehmer bereits vor der Abreise oder am Flughafen selbst infiziert hat. Noch schwieriger dürfte für den Arbeitgeber die Situation sein, in der das Reiseland des Arbeitnehmers erst nach Urlaubsantritt als Risikogebiet auf die Liste des RKI aufgenommen wird. 

III. Möglicher Entschädigungsanspruch gegen den Staat

Besteht kein Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber könnte bei häuslicher Quarantäne nach Reiserückkehr aus einem Risikogebiet der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (“IfSG”) gegen den Staat greifen. Dies ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, ebenso besteht Ungewissheit dahingehend, ob eine individuelle behördliche Anordnung der Quarantäne erforderlich ist oder ob die Quarantäneverordnungen als Allgemeinverfügungen ausreichen. Eine freiwillige Quarantäne nach einer privaten Reise berechtigt jedenfalls nicht zu einer Entschädigung. Zudem entfällt der Entschädigungsanspruch, wenn die Absonderung “hätte vermieden werden können”. Es spricht viel dafür, dies bei Reisen in Risikogebiete anzunehmen, vor denen schon vor der Hinfahrt gewarnt wurde.

Eine Entschädigung für aus dem Ausland zurückkehrende Personen, die einer generellen Quarantänepflicht unterliegen, wird zudem teilweise mit dem Hinweis abgelehnt, dass diese keine Ansteckungsverdächtige i.S.v. § 2 IfSG darstellen. Es gebe nicht genügend hinreichende objektive Anhaltspunkte für eine infektionsschutzrechtliche Verantwortlichkeit sämtlicher aus dem Ausland Einreisender. So hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Beschluss vom 10. Juni 2020 (Az. 14 L 150.20) entschieden, dass nicht angenommen werden kann, dass alle aus Staaten außerhalb der EU einreisenden Personen ansteckungsverdächtig sind. Nach dem IfSG sind ansteckungsverdächtig grundsätzlich nur Betroffene, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatten.

IV. Empfehlung

Mit Blick auf den bevorstehenden Sommerurlaub, die Öffnung der Grenzen und die teilweise Aufhebung der weltweiten Reisewarnung gewinnt die Frage nach den (finanziellen) Konsequenzen bei einer Infektion sowie einer Quarantäne nach Rückkehr aus einem Risikogebiet immer mehr an Relevanz. Aufgrund der uneinheitlichen Regelungen zur Quarantäne in den einzelnen Ländern birgt das Thema bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung weiterhin Konfliktpotential zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Um solchen Konflikten vorzubeugen, sollten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer etwa per Rundmail über die möglichen Folgen einer privaten Reise in ein Risikogebiet aufklären und ihnen den Link zu den bestehenden Quarantäneregelungen sowie zum Abruf der Risikogebiete zukommen lassen. Ebenfalls sollten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer über die im Betrieb geltende Handhabung bei einer Quarantäne aus einem Risikogebiet aufklären.

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